Eisenhüttenstadt – Blick auf das Eisenhüttenkombinat Ost (EKO)

Kombinatsdirektoren

Alumni-Wissenschaftler der HU Berlin und ehemalige Generaldirektoren im Gespräch

20.10.2017 14:06:00

Am 16.10.2017 fanden sich etwa zwanzig ehemalige Wissenschaftler/innen der Humboldt-Universität zu Berlin in unserem Erzählsalon ein, um sich im Rahmen des Projekts „Kombinatsdirektoren erzählen“ auszutauschen und zu diskutieren. Gemeinsam mit einstigen Kombinatsdirektoren wurde angeregt über die Schwierigkeiten und Erfolge der Wirtschaft der DDR debattiert, reflektiert und sich mitunter wehmütig erinnert.

Gastbeitrag von Marie Engelhardt und Vanessa Worm

Einleitend ergriff der Wirtschaftshistoriker Prof. Dr. Jörg Roesler das Wort und sprach sich für eine „Proportionalität zwischen den Erfahrungsberichten der Wirtschaftslenker“ in Ost- und Westdeutschland aus: Die ostdeutsche Wirtschaftsgeschichte sei keineswegs weniger relevant als die westdeutsche, im Gegenteil. Man könne aus den Erfahrungen der Kombinatsdirektoren Wertvolles für die heutige Zeit lernen und ableiten. So gab Herr Roesler zu bedenken, dass der aktuelle Zulauf der AfD in den neuen Bundesländern auch auf die soziale Vernachlässigung der ehemaligen DDR-Bürger/innen nach der Wende zurückzuführen sei. Die Menschen wurden damals einer „ökonomischen Schocktherapie“ unterzogen, die letztendlich wegen hoher Arbeitslosigkeit und misslungener Integration bei vielen Ostdeutschen Enttäuschung, Frustration und die Abkehr von den etablierten hervorrief. Deswegen ist es von großer Bedeutung, den Unzufriedenen Gehör zu schenken und mithilfe der Erzählsalons auch die Perspektive der einstigen DDR-Bürger/innen zu beleuchten. Dank der Arbeit von Rohnstock Biografien könnten Erfahrungen in der Wirtschaft greifbarer gemacht werden, sodass Wirtschaftsthemen von der trockenen Theorie befreit und stattdessen plastisch erzählt werden können. 

Der Ansicht ist auch Katrin Rohnstock, da die Inhalte durch das lebhafte Erzählen in allgemeinverständlicher Sprache einprägsamer und zugänglicher für jeden sind. Man rede über Themen, die sonst in den Hintergrund gerieten, so Manfred Dahms, früherer Generaldirektor im DDR-Anlagenbau. Auch sein Blick auf die erlebte Wirtschaftsgeschichte habe sich durch die Salons verändert, er sei mit ihnen gewachsen. Seiner Meinung nach sei die Triebkraft des Kapitalismus seit der Wende angesichts der stetig zunehmenden Ungleichheit zwischen Arm und Reich nahezu aufgehoben. 

Dahms langjährigem Kollegen und Freund Eckhard Netzmann, Kombinatsdirektor des Industrieanlagenbaus, gefällt, dass Rohnstock Biografien den Raum bietet, der Frage nachzugehen, wen diese Berichte bewegen bzw. was man heute aus ihnen lernen kann. Betrachtet man das Management, die Problembewältigung und Fortschritte der gemeinwohlorientierten DDR-Wirtschaft, so seien die festgehaltenen Erfahrungen auch für zukünftige Generationen bereichernd und lehrreich.

Ergänzend meldet sich Manfred Domagk, in der DDR zuständig für die Gestaltung der Finanz- und Preispolitik, zu Wort und appelliert für eine differenziertere Beurteilung der DDR-Wirtschaft im Vergleich zur westdeutschen Ökonomie. Dies geschehe, wenn man sich von simpler „gut und böse“-Gegenüberstellung löse und stattdessen bereit ist, sich ein umfassendes Bild der DDR-Wirtschaft anhand des geteilten Erfahrungsschatzes zu erschließen und die Berichte als „objektives Dokument der Zeitgeschichte“ zu sehen.

Jeder Salon dieser Reihe widmet sich einer anderen beruflichen Biografie der DDR-Kombinatsdirektoren und schafft zugleich die Möglichkeit, sich untereinander zu ergänzen, zu korrigieren, Widersprüche aufzudecken und Vorurteile abzubauen, da man miteinander ins Gespräch kommt und einander idealerweise aufmerksam zuhört, sodass im besten Sinn ein kollektives Aufarbeiten stattfindet.

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Generaldirektoren erzählen

Generaldirektoren erzählen

Manfred Dahms, Manfred Domagk und Eckhard Netzmann

Manfred Dahms, Manfred Domagk und Eckhard Netzmann

Eckhard Netzmann

Eckhard Netzmann