Eisenhüttenstadt – Blick auf das Eisenhüttenkombinat Ost (EKO)

Kombinatsdirektoren

"Gibt es eine ostdeutsche Seele" - Anhörung der Linksfraktion im Bundestag
Katrin Rohnstock

10.07.2013 17:14:41

Lieber Gregor Gysi, liebe Gesine Lötzsch, lieber Roland Clauß, sehr geehrter Herr Bartsch, sehr verehrte Gäste!

Ich möchte Ihnen unser "Generaldirektoren-Projekt" vorstellen.

Dieses Generaldirektoren-Projekt möchte die Lebenswege der DDR-Wirtschaftskapitäne erkunden. Sie verfügen über ein einmaliges, kostbares, unwiderbringliches Wissen: Sie haben die volkseigenen Kombinate gelenkt und gestaltet. Sie wissen, wie in der DDR gewirtschaftet wurde – ohne Profitinteressen, für das Gemeinwohl. Ihr Wissen und ihre Erfahrungen sind historisch einmalig. Sie müssen erhalten werden. Herzlichen Dank für die Einladung zu dieser Anhörung! Von den insgesamt 260 Lebensgeschichten, die Rohnstock Biografien in Bücher brachte, werden Sie vielleicht zwei kennen: Die Autobiografie von Heidi Knake-Werner und die Autobiografie von Edgar Most, "50 Jahre im Auftrag des Kapitals". Edgar Most ist ein glänzender Erzähler und schon während er mir seine Lebensgeschichte erzählte, dachte ich: Wie spannend DDR-Industrie- und Wirtschaftsgeschichte ist! Man müßte auch die Chefs der DDR-Kombinate gewinnen zu erzählen! - Doch das interessierte 2009 noch niemanden.

Das änderte sich mit der Finanzkrise. Der gemeinnützige Verein "Lebenserinnerungen – Verein zur Förderung lebensgeschichtlichen Erinnerns und biografischen Erzählens e.V.", entwickelte 2011 erste Ideen für das GD-Projekt.

Ralf Döscher recherchierte monatelang nach den Adressen der GDs der insgesamt 157 zentralgeleiteten Kombinate und nahm Kontakt zu ihnen auf. Er erfuhr, dass nur noch ca. ein Drittel der GDs lebt und gesund ist.

Einige GDs waren skeptisch, andere freuten sich über unser Interesse! Im Juni letzten Jahres luden wir sie ein, um das Projekt zu diskutieren. Dabei widersprachen sie vehement der weit verbreiteten Annahme, dass die DDR an der Wirtschaft gescheitert sei. Die Schuldenlüge sei der Sargnagel der DDR gewesen.

Die zu unserem Kreis gehörende Kulturwissenschaftlerin Dr. Isolde Dietrich schreibt in ihrem Aufsatz – "Das Schweigen der Generaldirektoren": "Von den mehr als 1200 Biografien, die von DDR-Menschen seit 1990 erschienen sind, stammen lediglich fünf von Vertretern der DDR-Wirtschaftselite. Von den 1989 amtierenden 125 Generaldirektoren zentralgeleiteter Industriebkombinate hat ein einziger seine Erinnerungen veröffentlicht, das sind 0,8 Prozent." Warum ist das so?

Zu groß sind die Enttäuschungen der GDs darüber, wie ihre Lebensleistungen nach der Wende diffamiert wurden, zu groß die Angst vor erneuter Herabwürdigung. Zu groß die Kluft zwischen ihren Erfahrungen und dem wirkungsmächtigen Bild von der DDR-Wirtschaft, das sich auf drei Begriffe reduziert: Mangel-, Miss- und Kommandowirtschaft.

Wir hören in den Salons von den Entwicklungen der GDs und sind immer aufs Neue überrascht – wie unterschiedlich die Entwicklungswege der "Leiterpersönlichkeiten" sind, wie unterschiedlich die Kombinate. Wir sind erstaunt, wie viel Handlungspielraum die GDs hatten und wie souverän sie ihn nutzten. In ihren Erzählungen widerspiegelt sich nicht nur ihre Leidenschaft, ihr Engagement für die sozialistische Wirtschaft, sondern auch die Triebkräfte und Widersprüche der Wirtschaft. Sie kennen ein Geheimnis: Wie es der DDR 40 Jahre gelang, gemeinwohlorientiert zu wirtschaften?

Das sind spannende Geschichten vom Kampf um die Planerfüllung, vom Umgang mit Devisen- und Rohstoffknappheit, von technologischen Herausforderungen und Erfolgen. Diese Geschichten wollen wir spannend aufschreiben. Und zwar so, dass sie den Leser ergreifen. So, dass sich der Leser fragt: Wie hätte ich damals gehandelt und entschieden?

[Den vollständigen Text finden Sie im angehängten Dokument]

Anhoerung.Bundestag.10.6.2013.pdf

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