Eisenhüttenstadt – Blick auf das Eisenhüttenkombinat Ost (EKO)

Kombinatsdirektoren

Schlussplädoyer zur Veranstaltung »Waren Kombinatsdirektoren marxistisch-leninistische Unternehmer?«
Wolfram Adolphi

07.05.2015 13:40:14

„Was ist das ganze wert? Diese Welt ist hochgradig in Unordnung, mach wir uns das klar! 

Wir reden nicht als die Übriggebliebenen eines Unfalles der Geschichte in einer harmonischen, sich zuversichtlich in die Zukunft entwickelnden Welt. Sondern wir leben in einer Welt, in der eine unmittelbare Kriegsgefahr existiert. Eine Welt, in der sich zeigt, dass der Systemkonflikt zwischen Ost und West möglicherweise nur eine Episode ist, in einem viel längeren, geostrategischen Konflikt. Wir leben in einer Welt, in der – ich zitiere den amerikanischen Historiker Adam Hochschild – Deutschland alles erreicht hat, wofür es zwei Weltkriege geführt hat; dass heißt was den ökonomischen Einfluss, die Marktbeherrschung und die Dominanz in Europa betrifft. Wir leben in einer Welt, in der über die Frage nachgedacht wird, ob in Ostprignitz-Rupin nun 153 oder 217 Flüchtlinge aufgenommen werden sollen. Aber vielleicht stehen wir an dem Beginn einer Völkerwanderung, wo jede Antwort, die jetzt gegeben wird völliger Quatsch ist. 

Wir leben in einer Welt wiederkehrender Nationalismen und einer wahnsinnigen Ungleichheit. Wir leben in einer Welt, in der sich Journalisten freuen, wenn sie anlässlich der Hannover Messer darüber schreiben dürfen, wie viele Millionen Roboter in Zukunft unsere Arbeit übernehmen werden. Dabei hat die Gesellschaft nicht die geringste Idee, was sie mit ihrer Freizeit anfangen könnte. 

Und da könnte Marx Aufschluss geben. Die höhere Arbeitsproduktivität verringert die Zeit der notwendigen Arbeit für die gesamte Gesellschaft so, dass wir in ein Reich der Freiheit eintreten, ein Reich der unendlichen Freizeit. Wir begreifen jetzt, dass wir zwei große Gruppen von Leuten haben: die einen schuften sich kaputt und die anderen gehen kaputt an der Sinnlosigkeit des Nicht-gebraucht-werdens. Und dieses Problem wird sich nur noch vergrößern, wenn die Roboter noch mehr der Produktivität übernehmen. 

Wir haben eine irrsinnige Gleichzeitigkeit von Hightech auf der einen Seite und mittelalterlichen Kriegen auf der anderen. Wer nun glaubt: „aber eines wissen wir vor allen Dingen: Marx hat völlig ausgedient“, der irrt sich. Wir brauchen Antworten. 

Ich bin ein Verfechter von Selbstbewusstsein. In einem kleinen geographischen und historischen Fliegenschiss haben wir das Konzept der Gesamtverantwortung ausprobiert, welches für künftige Gesellschaftsordnungen gelten muss. Was ist das für eine Idiotie, dass alle Verantwortungen weitergegeben und aufgeschoben werden? Wir haben keinerlei Wirtschaftsdemokratie, das wisst ihr alle. Keiner kann sich in irgendeinem Betrieb gegen seinen Betriebsleiter auflehnen, und sei der Betrieb noch so klein. Eine kleine Gruppe von Leuten traut sich noch von ihrem Streikrecht gebrauch zu machen, während die anderen darauf stolz sind, wenn sie um Sieben pünktlich am Arbeitsplatz sind. Auch wenn sie dafür zur Arbeit laufen müssen. 

Also was machen wir? Marx? Die Methode. Wir reden von Interessen und allein damit entschleiern wir schon die verschleierten Zustände, weil keiner über Interessen redet. Ich finde, am Anfang einer jeden Fernseh-Talk-Show müsste jeder sagen, ob er aus einer Hütte oder einem Palast kommt und was er verdient. Stattdessen sitzen alle nebeneinander und reden über alles, bloß nicht das Einkommen. Und wer über das Einkommen redet, der führt eine Neid-Debatte, so wird es uns zumindest vom Mainstream übermittelt.

Wir haben Interessen- und wir haben natürlich auch Klassenfragen. Auch wenn ein großes Interesse darin besteht, Klassen nicht zu identifizieren, heißt das nicht, dass es sie nicht gibt. Und wenn wir eines wissen über die komplizierte Auseinandersetzung mit unserer eigenen Ideologie, Marxismus, Leninismus, dann, dass eine ständige begriffliche Verdrängung von etwas, es nicht auf ewig verdrängen kann. Nach wie vor haben wir die aufklärerische Aufgabe über Interessenslagen, Klasseninteressen, Herrschaftsinteressen und das vollständige Fehlen von Wirtschaftsdemokratie zu lösen. Wir haben uns auch zu fragen, wodurch der Marxismus-Leninismus (ML) in der Gesellschaft ersetzt worden ist. 

[…]

Marx und die Methode, dass heißt nach Interessen zu fragen und nicht in einem allgemeinen Menschenbegriff zu verharren. Marxismus-Leninismus ist gleich Religion. Manchmal denke ich heute: „Wenn es mal eine Religion wäre, dann hätten auch wir unseren Platz in der Religiosierung der Gesellschaft“. Aber die Kanzlerin sagt uns immer wieder, dass wir alle aus einem christlichen Hintergrund kommen und sie meint damit etwas Gutes. Aber entweder sind wir Christen, oder Muslime. Bloß für Atheisten gibt es keinen Platz. Dabei sagte Lenin schon: „Der Marxismus ist allmächtig, weil er wahr ist.“ 

[…]

Ich möchte euch danken und anregen, weiterhin in Diskussion zu bleiben. Auf dem Weg des Marxismus haben wir die Einen, die das jahrelang studiert haben, aber auch Millionen, die sich nie wissenschaftlich mit diesem Thema auseinandergesetzt haben. Diese Menschen haben aus bestimmten Situationen heraus sich diesem Denken zugewandt und daraus Kraft und Bedeutung gewonnen. 

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