Eisenhüttenstadt – Blick auf das Eisenhüttenkombinat Ost (EKO)

Kombinatsdirektoren

»Ein ganz besonderes Buch« - Buchbesprechung zu »EKO – Stahl für die DDR, Stahl für die Welt«
Uwe Trostel

23.11.2015 09:30:20

Ein ganz besonderes Buch:

Am Donnerstag, den 12. November, stellte Prof. Dr. Karl Döring sein Buch »EKO – Stahl für die DDR, Stahl für die Welt« endlich auch in Berlin vor!

Der Münzenbergsaal war gut gefüllt, Döring war wohl ein wenig überrascht von der großen Anzahl interessierter Zuhörer. Es waren viele gekommen, Weggefährten aus seinen vielen Lebensstationen, Metallurgen und auch Interessierte an einem wichtigen Kapitel der DDR-Wirtschaftsgeschichte.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Das Buch liest sich außerordentlich spannend; ein Bekannter rief mich an und sagte, es lese sich wie ein Krimi der Extraklasse. In der Tat. Döring und Rohnstock-Biografien verstehen es meisterhaft, die persönliche Entwicklung des Karl Döring, angefangen von der Kindheit, dem Studium an Elitehochschulen der Sowjetunion, in verantwortlichen Funktionen metallurgischer Kombinate der DDR, der Funktion als stellvertretender Minister bis zum Generaldirektor des VEB Bandstahlkombinates darzustellen. Ausführlich wird beschrieben, wie er unter den Bedingungen der Marktwirtschaft als Vorstand im privatisierten Unternehmen seine Haupttätigkeit darauf richtetet, möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten und die Perspektive des Unternehmens am Standort Eisenhüttenstadt zu sichern. Und immer wird die Verbindung zur Entwicklung der Metallurgie und zur Volkswirtschaft der DDR sachkundig und überzeugend dargestellt.

Eine Besonderheit, wenn nicht gar ein Alleinstellungsmerkmal der Biografie besteht darin, dass es sich bei Döring um einen Leiter handelt, der als Generaldirektor erfolgreich eines der bedeutendsten Kombinate der DDR geleitet und, nach der Wende, erfolgreich an der Spitzen des nunmehr privatisierten Unternehmens tätig war. Wem, wenn nicht einer solchen Persönlichkeit kann man auf Wertungen vertrauen, wenn es um den Vergleich der Systeme geht. Und dieser Vergleich, den Döring an vieler Stelle und sehr beeindrucken darstellt, fällt nun wahrlich nicht zu Gunsten des kapitalistischen Systems aus. Karl Döring hat ein besonders enges Verhältnis zur Sowjetunion und zu Russland. Beeindruckend, wie er es verstanden hat, nach der Wende diese Netzwerk zu nutzen, um das Überleben in Eisenhüttenstadt zu sichern und gleichzeitig die russischen Stahlkocher beim Übergang zu marktwirtschaftlichen Strukturen zu unterstützen. Mit Beklemmung nimmt man zur Kenntnis, wie eine Vielzahl von Vorschlägen, die Karl Döring nach der Wende zur Nutzung der historisch gewachsenen Bindungen zur UdSSR unterbreitete, insbesondere von der damals maßgeblichen Treuhandanstalt hintertrieben wurden. Beiläufig ließ er natürlich durchblicken, dass die gegenwärtige Politik zu Russland riesige Möglichkeiten der Kooperation brach liegen lässt, der deutschen Wirtschaft großen Schaden zufügt und Russland zu neuen Vorgehensweisen zwingt, die sich langfristig außerordentlich negativ für die Kooperation mit der deutschen Wirtschaft auswirken dürften.

Das Buch vermittelt auch eindrucksvolle Erkenntnisse für künftig denkbare Entwicklungen. Eindeutig widerlegt Döring die weit verbreitete Auffassung und einen Grundpfeiler neoliberaler Wirtschaftspolitik, dass nur ein Unternehmen, welches auf Gewinnmaximierung ausgerichtete ist, erfolgreich arbeiten kann. Döring führt den Beweis, dass Gewinnerwirtschaftung zwar wichtig, bei weitem aber nicht Haupttriebkraft der Entwicklung sein muss. Also eine Erfahrung der DDR-Wirtschaft, die für künftige Ansätze durchaus wichtig sein kann. Döring führt auch andere „Grundpfeiler der Marktwirtschaft“ ad absurdum. Der Bogen reicht vom Nachweis, dass auch ohne ressourcenvernichtenden Konkurrenzkampf effektives Wirtschaften möglich ist bis hin zu dem Fakt, dass der Chef an der Spitze nie die Bindung zur Basis verlieren darf.

Nach der Wende haben die neuen Herren dafür Sorge getragen, dass die meisten Leiterpersönlichkeiten und Wissensträger aus der Zeit der DDR keine Verantwortung übernehmen konnten. Die „Intelligenzlücke“, die auf diese Weise entstand und die mit zu den verheerenden Wirkungen der Deindustrialisierung des Ostens führte, wäre erheblich geringer ausgefallen, wenn ähnlich Qualifizierte wie Karl Döring ihr Wissen und Können für die Gestaltung wirtschaftlicher Prozesse hätten einsetzen können. Auch diese Erkenntnis vermittelt das Buch.

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