Ein Generaldirektoren Erzählsalon

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Erzählsalon vom 10.10.2013 mit Christa Bertag
Generaldirektorin des VEB Kosmetik-Kombinates Berlin

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich sehr, dass mit Christa Bertag nun endlich eine Generaldirektorin in unseren Reihen ist. Sie war eine von insgesamt vier Frauen in der Position eines GDs – von insgesamt weit über einhundert Generaldirektoren der zentralgeleiteten Kombinate. Sie leitete von 1986 bis 1990 den VEB Kosmetik-Kombinat Berlin.
Christa Bertag wurde am 16. Dezember 1942 im thüringischen Sondershausen geboren. Ihr Vater war Porzellandreher und später im Bergbau tätig; die Mutter Montiererin in einem Großbetrieb.
Ab 1949 besuchte Christa Bertag die Schule. Schon frühzeitig interessierte sie sich für Chemie, was vor allem am Lehrer lag. Ein junger, gut aussehender Typ, der es schaffte, sie zu begeistern. So entwickelte sie Ehrgeiz und erkannte ihr Talent für das Fach Chemie.
1961 absolvierte sie das Abitur an der ABF II in Halle, ein Jahr später hatte sie den Abschluss als »Chemiefacharbeiterin« in der Tasche und ging für ein praktisches Jahr nach Bitterfeld.
Die Forschung war ihre Leidenschaft. Ihr Ziel war es, in den Bergbau und in die Kaliforschung einzusteigen. Der Vater hatte erheblichen Anteil daran. Zunächst startete sie mit Ferienarbeit und Praktika im Kaliwerk, später schrieb sie ihr Diplom und entwickelte im Rahmen dessen ein Verfahren »Zur Frage der Beeinflussung der Korngröße des Zersetzungs- und Kaliumchlorids bei kalter Zersetzung des Carnallits«, für das sie nicht nur ein Patent anmeldete, sondern auch einen Preis erhielt – den »Preis der VVB Kali«. Sie war die erste Frau, die diesen Preis bekam!
Ihr Wunsch, im Ausland zu studieren, hatte sich nicht erfüllt, da es nur Angebote für »Chemischen Maschinenbau« gab – das war nicht ihre Richtung. So studierte sie von 1962 bis 1967 an der Technischen Hochschule für Chemie Leuna-Merseburg und machte dort 1967 ihren Abschluss als Diplom-Chemikerin. Während des Studiums lernte sie ihren Mann kennen. Noch in der Studienzeit kam das erste Kind, eine Tochter, zur Welt. Wenig später der Sohn.
Bereits im Mutterschaftsurlaub arbeitete sie im VEB Leuna-Werke »Walter Ulbricht«, als Sektorenleiterin Wissenschaftsorganisation. Sie war in der Patentabteilung tätig und bereitete Patentanträge für die Anwälte auf. Rund 30.000 Leute arbeiteten damals im Werk.
Christa Bertag war aktives FDJ-Mitglied und trat 1965 der SED bei, war von 1971 bis 74 Mitglied der FDJ-Bezirksleitung in Halle; 1974 bis 77 studierte sie an der SED-Parteihochschule und schloss mit dem Diplom in Gesellschaftswissenschaften ab.
1977 bis 85 arbeitete Sie als politische Mitarbeiterin in der Abteilung Grundstoffindustrie des ZK der SED. Dort war sie verantwortlich für den Sektor Chemie, speziell in der Leichtindustrie: für Lacke, Farben, Waschmittel, Kosmetik...
Christa Bertag durchlief die einzelnen Betriebe und fand vieles, was geändert werden musste. Beispielsweise sah sie, dass bei »Kölnisch Wasser« der Stöpsel mit dem Hammer auf die Flasche gebracht wurde. »Ein Unding!«, sagte sie sich.
Sie kämpfte sich durch und ging bis zur Abteilung »Mittag«, konnte viel erreichen, dabei kam ihr die Parteischule zugute, in der sie Kontakte aufgebaut hatte.
Sie schaffte es, dass neue Maschinen angeschafft werden konnten. Ihr Prinzip dabei war immer: »Nichts versprechen, was man nicht halten kann.« So verschaffte sie sich das Vertrauen der Mitarbeiter.

1973 / 74 kam sie zurück in den VEB Leuna-Werke »Walter-Ulbricht« mit dem Auftrag, die Konsumgüterproduktion aufzubauen. Und das im großen Maßstab. Es ging um Tapete aus geschäumtem Material, doch darüber wird sie uns selbst sicher etwas erzählen.
Die Zeit in Halle hat sie besonders geprägt, 1974 – mit der Delegierung an die Parteihochschule »Karl Marx« – zog sie nach Berlin. Damit begann ihre »Kosmetik-Karriere«.
1986 musste sie über Nacht entscheiden, ob sie den Posten als Generaldirektorin im VEB Kosmetik-Kombinat Berlin annimmt oder nicht. Die GDs des Kombinates hatten mehrfach gewechselt, doch es gab wenige Fortschritte. Die Organisation war schlecht strukturiert, schließlich war das Kombinat Alleinhersteller aller nur denkbaren Kosmetik-Artikel, verantwortlich für die Versorgung der ganzen Nation sowie der halben Sowjetunion!
Die Entscheidung fiel ihr schwer, denn der Posten schien ihr wie ein »Schleudersitz«. Sie nahm die Herausforderung an – und stellte Bedingungen: Sie verlangte einen realistischen Plan und Investitionen. Der zuständige Minister sagte ihr alles zu, schriftlich bekam sie es jedoch nicht.
Bis 1990 war sie Generaldirektorin. Sie leitete das Kombinat mit seinen acht Betrieben und insgesamt 8 500 Mitarbeitern. Die Mittel, die sie für das Kombinat bekam, stiegen von 50 auf 200 Millionen Mark der DDR. Der Umsatz verdoppelte sich unter ihrer Leitung.
Was geschah nach der Wende:
Am 1. Juli 1990 wurde das Kombinat in eine GmbH umgewandelt und von der Treuhandanstalt übernommen. Und Christa Bertag wurde zur Geschäftsführerin der nun unter „Berlin Kosmetik GmbH“ firmierenden Wirtschaftseinheit berufen. Ab 1992 – nach Übernahme der Berlin Kosmetik GmbH i. L. (»Berlin Kosmetik«) durch amerikanische Investoren (Agriculture and Industrial Trading Inc. sowie Agrinde Overseas Inc.) – war sie als Chief Operating Officer bzw. Geschäftsführerin tätig.
Und nun sitzt sie hier bei uns.

- Katrin Rohnstock -

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Ein voll besetzter Salon lauscht Christa Bertags Ausführungen

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