Eisenhüttenstadt – Blick auf das Eisenhüttenkombinat Ost (EKO)

Kombinatsdirektoren

Ein sehr kleiner Exkurs zum Kombinatsdirektoren-Projekt, insbesondere zum Außenhandel

13.09.2017 17:30:00

Beitrag von Herbert Roloff zur Veranstaltung am 11.September 2017 im Cafe Sybille
Ein sehr kleiner Exkurs zum GD-Salon, insbesondere zum Außenhandel
Eigentlich ist alles gesagt, könnte man meinen, hier und heute und überhaupt, und doch tun sich immer wieder Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen Kategorien auf, die uns auch jetzt die Wechselwirkungen zwischen Wirtschaft, Bildung, Kultur, Gesundheitspolitik u.a. verdeutlichen.
Was folgt, werden Erfahrungen und Darlegungen zu während der Kombinatsdirektoren-Salons Gehörtem und Erklärtem sein:
Wenn man von einer Wechselwirkung zwischen Wirtschaft und anderen gesellschaftlichen Bereich ausgehen kann und muss, war der Ansatz in der DDR, „So wie wir heute arbeiten, werden wir morgen leben“, als Sinnbild einer Einheit zwischen Wirtschafts- und Sozialpolitik nicht von der Hand zu weisen. Er gilt eigentlich auch heute, wenn man objektiven ökonomischen Gesetzen folgen will, und wenn man soziale Gerechtigkeit als Maßstab politischen Handels und als Grundwert anerkennen möchte.
Nun sind viele der Ursachen des Scheiterns unseres Bestrebens beschrieben (Reparationsleistungen an die UdSSR, Embargos der verschiedensten Formen), unterschiedlich analysiert, ebenso kolportiert worden, doch über all dem steht der angestrengte, nachgewiesene Versuch, die Wirtschaft dieses vergangenen Landes DDR dem Gemeinwohl dienstbar zu machen, effektiv zu wirtschaften und doch nicht nur den Interessen von Aktionären dienlich zu sein.
Wir wurden Zeugen vieler solcher Beispiele wie Generaldirektoren von Kombinaten – großer wie kleinerer, Maschinen und Ausrüstungen sowie Konsumartikel herstellender – mit Leidenschaft gearbeitet haben, um gemeinsam mit ihren Belegschaften Produkte zu produzieren oder Dienstleistungen zu erbringen, die letztendlich den Menschen nutzen sollten, auch über die Transformation über den Außenhandel, ebenso eingedenk vieler in diesem Zirkel aufgeworfener Probleme, die sich zu einem Teil aus einem exzessiv ausgeübten Primat der Politik gesamtvolkswirtschaftlich ergaben, in dem grundlegende Relationen zwischen ökonomischen Kategorien verletzt wurden.
Nun gehört natürlich in diesen Kreislauf der Wirtschaft auch der Außenhandel der DDR, dargestellt sowohl von den Industriekombinaten wie auch von den institutionellen Außenhandelsbetrieben, über den jeweils im Einzelnen wie auch generell hier gesprochen wurde. Denn bei einem Nationaleinkommen in Höhe von 250 Mrd. Mark, noch im Jahr 1989, wurden Importe von 144,71 Mrd. Mark und Exporte von 141 Mrd. verzeichnet und damit große Teile des Nationaleinkommens verfügbar gemacht.
Industriekombinate und Außenhandelsbetriebe bildeten eine Einheit im gemeinsamen Bestreben, die besten ökonomischen Ergebnisse zu erzielen. Beide hatten das vom Staat ausgeübte und in der Verfassung der DDR festgeschriebene Außenhandelsmonopol zu respektieren, wenn auch der Außenhandelsbetrieb nach außen die juristischen und kommerziellen Verpflichtungen wahrnahm. Die Ergebnisse trugen beide Partner nach den dafür geltenden Regeln.
Hier darf auch beispielhaft daran erinnert werden, dass das Kombinat Schienenfahrzeuge einer der größten Exporteure von Reisezugwagen überhaupt war, die Möbelindustrie der DDR war Europameister für Exporte dieser Branche – vor allem in die UdSSR, Zementanlagen laufen noch heute im afrikanischen/arabischen Raum und Kräne von TAKRAF kann man noch immer in marokkanischen Häfen oder in der Meyerwerft in Papenburg antreffen, Pressenstraßen von Henry Pelz aus Erfurt arbeiteten bei SEAT in Barcelona und bei der Volkswagen AG in Wolfsburg.
Der Industriestaat DDR war vom Außenhandel so tief geprägt, dass er eine generelle Existenzbedingung darstellte.
Dabei spielten die Handelsbeziehungen mit den Ländern des RGW, insbesondere mit der UdSSR, die Hauptrolle, während etwa ein knappes Drittel mit Nichtsozialistischen Ländern bewerkstelligt wurde. Mit der UdSSR waren vor allem die Rohstoffe von größter Bedeutung, und hier wirkten dann auch wesentliche Veränderungen in den 70er und 80er Jahren, die die DDR immer schlechter stellten. So stiegen die Importpreise für Erdöl aus der UdSSR von 1974 bis 1986 um das 11fache, die Preise für Erdgas um das 7fache. Die DDR konnte die Mehrkosten, die in diesem Zeitraum allein für diese Rohstoffe ca. 40 Mrd. VM betrugen, nur zum Teil durch Anheben der eigenen Exportpreise ausgleichen. (Siegfried Wenzel, S.27)
In diesen Jahren wurden auch sowjetische Liefermengen immer weiter eingeschränkt, sprich: gekürzt: 1985 zu 1988 Zink von 24.000t auf 12.000t, Apatitkonzentrat von 530.000t auf 300.000t, Schnittholz von 1,7 Mio. m? auf 0,9 Mio. m?, betroffen waren ebenso Blei, Chromerz, Manganerz, Steinkohle. (ebenfalls Siegfried Wenzel, S.22)
Diese Lieferkürzungen waren für die DDR ein äußerst belastender Faktor, da als Alternative nur ein Bezug gegen harte Devisen in Frage kam.
Damit sollte auch darauf aufmerksam gemacht werden, dass neben den Einschränkungen der im kalten Krieg praktizierten Embargos (Röhren, Stahlerzeugnisse unterschiedlichster Art, bis hin zu Hochtechnologien wie Erzeugnisse der Elektronikindustrie) auch andere Außen-Entwicklungen in die DDR-Wirtschaft hineinwirkten, negative Folgen hatten. Die UdSSR war seit der Ära Gorbatschow kein verlässlicher Partner mehr für die DDR.
Diese Entwicklung hatte ebenfalls Auswirkungen bis in die Bereiche der Energiewirtschaft der DDR, denn die erforderliche Versorgung mit Ersatz- und Verschleißteilen konnte trotz vereinbarter Lieferungen durch die UdSSR nicht mehr gewährleistet werden.
Leider hat sich der RGW (Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe) niemals zu einer konstruktiven Organisation der multilateralen Arbeitsteilung zwischen den beteiligten Ländern entwickelt, obwohl im Gesamtraum dieser Organisation alle Ressourcen an Rohstoffen und Menschen vorhanden waren, die zu einem starken wirtschaftlichen Wachstum hätten genutzt werden können.
Bemühungen solcher Art gab es vielfältige, nur waren sie nie vom Willen aller Beteiligten getragen, sie verloren sich meistens in den nationalen Interessen der Länder. Auch war das technologische Niveau der beteiligten Länder (in bestimmten Relationen die CSSR, z.T. Ungarn/Polen ausgenommen) nicht ausgeprägt genug, um nachhaltig positive Veränderungen zu erreichen.
Auch diese Beschreibungen gehörten zu den Herausforderungen, denen sich die Kombinate stellen und bewältigen mussten.
Dem gegenüber gab es ein Netz zahlreicher Interessenten aus kapitalistischen Industriestaaten Europas wie aus Übersee (Japan und USA, Kanada), die der Entwicklung von Handelsbeziehungen auf der Basis des gegenseitigen Vorteils gleichberechtigt folgen wollten und teilgenommen haben. Sinnbild für diese Annäherung waren die Leipziger Messen, auf denen sich nicht nur die erste Reihe der Manager großer Konzerne und vieler Betriebe tummelte, sondern hier gaben sich auch Regierungsvertreter – ich denke nur an all die Länder-Ministerpräsidenten Rau, Lafontaine, Albrecht, Breuel… – die Hand mit DDR-Repräsentanten.
Aus diesen Beziehungen, die von zahlreichen bilateralen Handels- und Wirtschaftsausschüssen (DDR-USA, -Japan, -Frankreich, -Großbritannien, auch mit der BRD) begleitet wurden, entsprangen auch Importvorhaben für die DDR, die in verschiedenen Wirtschaftszweigen maßgeblich zur Steigerung der Produktion, der Qualität von Produkten und zur Verbesserung der Effektivität beitrugen. So u.a. in der chemischen Industrie (moderne Erdölverarbeitung, hochwertige Chemieprodukte im Petrolchemischen Kombinat Schwedt, Leuna, Syntheswerk Schwarzheide), bei der Metallurgie (Konverterstahlwerk im EKO Eisenhüttenstadt, Elektrostahlwerk Hennigsdorf und auch Brandenburg erhielt damals neue Anlagen mit neuen Technologien), im Bereich Elektrotechnik/Elektronik (Farbbildröhrenwerk in Berlin, das dazugehörige Glaswerk in Weißwasser).
Nun mag man ja über Geschichte – eben Geschehenes – unterschiedlich urteilen, das steht jedem zu, doch sich erhaben darüber zu erheben, stünde nur dem zu, der es vielleicht mal selbst versucht hätte, ein solches komplexes wirtschaftliches Geschehen so zu beherrschen, dass allen Ansprüchen in einer solidarischen Gesellschaftsausprägung entsprochen werden kann. Diesem Versuch haben sich all die hier immer mal Versammelten im besten Sinne gewidmet, eben mit hoher fachlicher Kompetenz und Leidenschaft.
Es ging und geht vorrangig um Erklärungen des Geschehenen, bitte auch um Erklärungen, warum es unter den gegebenen geschichtlichen Bedingungen zunächst nicht anders ablaufen konnte, aber das setzt auch voraus, dass man willens ist, historische Fakten zur Kenntnis zu nehmen, die vieler Orts nachlesbar sind, die die Arbeit und das Wirken dieser Menschen, immer unter den gegebenen Verhältnissen und Umständen, als Teil ihrer persönlichen Geschichte erfolgreich werten lassen.
Es war schon in gewissen Grenzen ein Wirtschaftswunder, das in der DDR – gegen alle äußeren Zwänge und vieler Ungereimtheiten sowie bürokratischer Verwerfungen – durch die Arbeiter und Angestellten unter Leitung dieser Führungskräfte zu Stande kam.
Vieles ist sicher nicht wiederholbar, vielleicht auch nicht nachahmenswert, doch ist der Versuch, der aus eben unterschiedlichsten Gründen nicht vollständig gelang, allemal auszuwerten und vielleicht einer vorrangig dem Gemeinwohl dienenden Gesellschaft zu Grunde zu legen, dass es unsere Enkel und Urenkel besser anpacken könnten.

Und dabei sollte man doch wenigstens gegenseitig zuhören müssen.

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Herbert Roloff hält seinen Vortrag bei der Veranstaltung

Herbert Roloff hält seinen Vortrag bei der Veranstaltung "Die Ostdeutschen ins Gespräch bringen"